Folge vom 31.10.2019
Vom Märchen es geschafft zu haben. Dem Verrat an meine eigene Herkunft und der Angst aufzufliegen.
In letzer Zeit fällt mir wieder einmal auf, wie arme Menschen unsichtbar gemacht werden. Arbeiterkinder haben immer noch weniger Zugang zu Universitäten, als Kinder aus Akademikerfamilien. Bildung, Kunst, Kultur, Gesellschaftliche Teilhabe bleibt eine Elitäre Veranstaltung. Doch was ist mit denen da drunter? Denen unter der Arbeiterklasse? Was ist mit Menschen die wie ich von Unten unten kommen? Und welchen Begriff gibt es überhaupt für Menschen meiner Herkunft?
Shownotes: Arbeiterkinder / Lumpenproletariat / Armut / Édouard Louis / Das Ende von Eddy / Rassismus / Klassismus / Ableismus / Homofeindlichkeit
Du kannst plauschgewitter auf verschiedensten Wegen unterstützen:
- mit einer Überweisung, etwas von meiner Amazon Wunschliste oder einer Bewertung bei iTunes.
- oder über PayPal.
Hallo Daniela,
ich habe gerade deine Folge gehört und wieder einmal sehe ich ziemlich viele Paralellen. Ich bin in einer dysfunktionalen Familie groß geworden, die man wohl so zur Arbeiterfamilie hätte zählen können, die aber durch diverse Erkrankungen auch in diese untere Schicht (Sozialhilfe usw.) abgerutscht ist. Nichts in meinem früheren Leben hat darauf hingedeutet wo ich jetzt bin. Einerseits fehlte das Geld, dann wurde ich massiv gemobbt, die Schulleistungen blieben aus und dann wurde pauschal ein ADHS fehldiagnostiziert. Da war für Lehrer und Eltern klar: „Aus dem Kind wird nichts mehr!“ und für mich war immer der Weg einer einfachen Ausbildung vorgesehen. Meine Schwester durfte ins Gym, sie war aber die erste der Familie und Verwandtschaft die diesen Schritt geschafft hat. Ich habe wie vorbestimmt eine Ausbildung gemacht und schnell gemerkt, dass ich weit unter meinen geistigen Fähigkeiten arbeite. Als ich dann hier in Deutschland das erste Mal arbeitslos war drei Jahre nach der Ausbildung habe ich den Schritt nach vorne gewagt und habe das Abitur auf dem Abendgym nachgeholt und bin jetzt im letzten Semester meines Bachelor. Ich denke nicht, dass ich die Norm bin und ich hatte wie du auch betont hast, viel Glück. Viel Glück dass ich fast immer in einer Partnerschaft war, so dass sich die Lebenskosten geteilt werden konnte. Viel Glück dass ich irgendein Job gefunden habe, der mich über Wasser gehalten hat bis ich das elternunabhängige Bafög bekam. Das Bafög an sich war auch mein Glück und mal außen vor wieviele Fehler diese Förderung hat, ich bin extrem dankbar, dass sie mir mein Studium ermöglicht hat.
Also ja, es ist theoretisch möglich. Aber ich habe auf meinen Weg auch viele Leute scheitern sehen die aus ähnlichen Situationen kamen. Ein Lehrer im Abendgym meinte mal, es würden nur die schaffen deren Leidensdruck zu groß sei. Für die es keine Alternative gab. Das ist so, ich wollte und konnte nicht zurück und ich habe habe lieber die Zeiten voller Sorgen, mentalen Belastung und Frustation in Kauf genommen. Ich weiß nicht ob ich nach meinem Studium viel wohlhabender sein werde, ich bezweifle es aufgrund meiner beruflichen Ausrichtung. Aber dieser Weg bis hierhin hat mir gezeigt wo mein Platz in der Gesellschaft ist und das ist mir persönlich viel wertvoller als einfach nur Geld und Status.
Auch wenn dir der Weg zu deinem Studium bisher verwehrt geblieben ist, ich hoffe das Podcasten ist für dich eine Form von Kompensation. Vielleicht hast du sogar irgendwann später die Möglichkeit zu studieren. Meiner Erfahrung nach haben die Menschen aus priviligiertern Situationen vielleicht mehr Geld und Gelegenheit, aber sind uns menschlich nicht im geringsten voraus. Klasse hilft nichts mehr wenn du am Boden angekommen bist und nie gelernt hast dich weiter nach oben zu kämpfen.
Liebe Grüße
Lara