Auf Wiedersehen, liebe Lindenstraße

Sonntag war es dann soweit. Nach fast 35 Jahren lief die letzte Folge Lindenstraße. Es war ein versöhnliches Ende. Doch wie bereitet man sich darauf vor, wenn eine Serie endet, mit der man Groß geworden, durch die Pubertät, mehrere Wohnortwechsel und durch eine Ehe gegangen ist?

Ein Text von Daniela Ishorst

Zwei Dinge, so dachte ich lange, werde ich nicht erleben. Dass der Kölner Dom jemals fertig gestellt wird und dass die Lindenstraße zu Ende erzählt werden kann.

Zweiteres musste ich dann doch mit ansehen. Am Sonntag dem 29.03.2020 um 18:50 Uhr lief die letzte Folge, Folge 1758, meiner Lieblingsserie.

Ich habe mehr Sonntage mit Lindenstraße erlebt als ohne, mehr Lebensjahre mit Lindenstraße als ohne sie hinter mich gebracht.

Meine Mutter saß, wie viele andere, am 08.12.1985 vor dem Fernseher und guckte die erste Folge der Lindenstraße. Mein Bruder und ich mit ihr. Er drei, ich fünf. Vermutlich im Schlafanzug.

Verstanden haben wir es wahrscheinlich nicht, aber ab da war, wie in vielen Familien auch, ein Ritual geboren. Wir gucken aus unserem Wohnzimmer in die Wohnzimmer des Hauses der Lindenstraße 3.

Mitte 2019 fingen mein Freund und ich an, die alten Folgen zu gucken. Er sagt immer so nett, wir gucken die 1. Staffel. Und da wurde mir überhaupt mal klar, was diese Serie geleistet hat.

34 komplette Staffeln plus die letzten Folgen über mehr als 34 Jahre. Das muss man erst einmal hinbekommen.

In Zeiten, in denen man sich nach sechs Staffeln Lost über ein unsägliches Ende ärgert (so habe ich gehört) oder nach zwei Staffeln 4 Blocks schon denkt, dass eigentlich alles erzählt ist, war die Lindenstraße wie ein Fels in der Brandung. Immer aktuell, was gesellschaftliche Veränderungen und die Politik in Deutschland angeht. Trotzdem war sich die Serie nie zu schade, auch mit Banalität zu glänzen.

Die Lindenstraße hat mich durch meine Schulzeit begleitet. Und als ich 1998 eine Ausbildung anfing und kein eigenes TV Gerät besaß, bin ich so manchen Sonntag nach Hause gefahren, um dort die Serie zu gucken. Sie hat mich durch mehrere Beziehungen begleitet und so manchen Stadtwechsel mit mir vollzogen. Die Lindenstraße war wie eine treue Begleiterin. Immer da.

Natürlich gab es in unseren gemeinsamen Zeit auch Tiefen. Ich war der Serie müde. Habe einige Zeit die Folgen nicht mehr alle geschaut. Und es gab auch eine Phase, in der es mir unangenehm war laut auszusprechen, dass ich die Lindenstraße über all die Jahre hinweg stets die Treue gehalten habe und sie immer noch (oder wieder) regelmäßig gucke. Doch die letzten paar Jahre war auch das vorbei und wir haben wieder zueinander gefunden. Wahrscheinlich ist das einfach so, wenn man sich so lange begleitet. Es gibt Höhen und Tiefen. Die Lindenstraße und ich hatten definitiv mehr Höhen.

Es zeichnete sich schon ab, das Ende der Lindenstraße. Oder zumindest ein Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit. Die Quote sank. Irgendwann gab es einen neuen Sendeplatz. Die letzten Jahre wurde eine Sommerpause eingeführt und hin und wieder gab es Folgen die nur noch auf ARD ONE statt auf der ARD liefen. Und doch kam das Ende überraschend.

Ich dachte immer, ich gehe mit Klaus Beimer in Rente. Eine*r von uns würde halt zuerst sterben, aber das Leben in dem Haus Lindenstraße 3 würde immer weiter gehen. Mein Kind würde wie ich weiter gucken und ebenfalls mit einer Person aus der Serie in Rente gehen. Oder im selben Jahr eine neue Beziehung eingehen. Was man halt so macht. Das Haus in dem ich groß geworden bin, habe ich schon lange verlassen, doch das Leben dort geht immer weiter. Ich dachte, so sei es auch mit der Lindenstraße.

Nun gehen wir seit Sonntag getrennte Wege. Trotz der großen Trauer über den Verlust meiner Serie, haben die Macher*innen mir ein versöhnliches Ende geschenkt.

Die Mutter der Nation, Helga Beimer, bekommt die letzte Szene in der Serie der Nation. Ein letztes Mal tritt sie vor die Tür des Hauses Lindenstraße Nummer 3. Guckt ihre Strasse entlang. In Gedanken an die letzten gut 34 Jahren geht sie ins Akropolis und entlässt uns in eine Zeit danach. Eine Zeit, ohne Lindenstraße.

Danke liebe Lindenstraße für all die Jahre, es war schön mit dir.

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